Quartierverein St.Fiden-Neudorf

Zur Geschichte des Quartiervereins St.Fiden-Neudorf

von Fredi Hächler, Mitarbeiter Stadtarchiv St.Gallen

Über das frühere St.Fiden steht im «Neujahrsblatt aus dem Jahr 1829» folgende Beschreibung: Dieses Dörfchen liegt auf einer schönen Ebene, eine Viertelstunde nordöstlich von St.Gallen, für dessen katholische Bevölkerung es der Begräbnisort ist. Die Strasse nach Rorschach führt durch dasselbe und weit hinab sind an ihr die schönsten Häuser der Pfarre angebaut. Das Dörfchen selbst befasst etwa dreihundert, die politische Gemeinde Tablat etwa 2500 Einwohner. In ihr sind zwei gute Schulen, nahe bei der Kirche ein Schützenhaus und mehrere treffliche Gebäude, zum Theil vormals der fürstlichen Regierung als Kanzlei und Gerichtshof dienend.

Siedlung und Gemeinde

Das Gebiet des Quartiervereins St.Fiden-Neudorf bildet einen Teil der ehemaligen Politischen Gemeinde Tablat und dehnt sich von St.Fiden bis zur östlichen Stadtgrenze und von den Bahnlinien südwärts in Richtung Notkersegg und St.Georgen aus. Es umfasst u.a. die Wohngebiete St.Fiden, Grossacker, Birnbäumen, Hagenbuch, Krontal, Neudorf, Stephanshorn, Guggeien und Achslen/Wilen. 1255 wird ein Hof Tablat urkundlich erwähnt und gab dem Gebiet, das heute auch St.Gallen-Ost genannt wird, seinen Namen. Damals standen in dieser Gegend erst einzelne Bauernhöfe in einer Wiesen- und Waldlandschaft. Später übernahm die Kirche St.Fiden eine Zentrumsfunktion.

Die Höfe auf dem heutigen Gebiet Tablat, von Rotmonten bis St.Georgen, gehörten im frühen Mittelalter grösstenteils dem Kloster St.Gallen als Lehensherrn. Die Fürstabtei erlangte im 15. Jahrhundert die Landesherrschaft in diesem Gebiet, und Tablat bildete fortan ein eigenes Gericht (1458) und erhielt eine Gemeindeordnung (1681). Die alte äbtische Lehenhof-Einteilung wurde infolge Erbteilungen im Verlaufe der Zeit aufgesplittert, weswegen immer mehr kleinbäuerliche Verhältnisse vorherrschten. Es entstand eine dorfähnliche Gemeinschaft, aber kein eigentliches Dorf Tablat; die Gemeinde setzte sich aus verschiedenen Weilern und Einzelhöfen zusammen.

1798/1803 bis 1918 existierte Tablat als politische Gemeinde, die zunächst dem Bezirk Rorschach und dann dem Bezirk Tablat angegliedert war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg nahm die Bevölkerung vor allem wegen des Stickereibooms explosionsartig zu. Die Stadt St.Gallen wuchs mit ihren Nachbargemeinden Straubenzell und Tablat zu einer Einheit zusammen. Die Folge davon war 1918 die politische Verschmelzung zu «Gross-St.Gallen» mit rund 75'000 Einwohnern. Dagegen sind in den ehemaligen Aussengemeinden Tablat, Rotmonten und Straubenzell weiterhin als eigenständige Ortsbürgergemeinden erhalten geblieben. 

 

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Kirche und Schule

Wohl um 1080 wurde eine Kirche in St.Fiden gebaut. Abt Ulrich III. liess zu dieser Zeit die Reliquien der heiligen Fides nach St.Gallen bringen. Weil die Kirche St.Fiden eine Filialkirche des Klosters darstellte, in der nicht alle religiösen Handlungen stattfinden durften, blieb bis zur Reformation die Kirche St.Laurenzen die Pfarrkirche für das Tablat und danach das Münster (heute Kathedrale). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die in Tablat ansässige Bevölkerung ausschliesslich katholisch.

Alle andern Kirchen im Einzugsgebiet des Quartiervereins stammen aus dem 20. Jahrhundert: Die katholische Kirche St.Maria im Neudorf, die evangelischen Kirchen Grossacker und Stephanshorn sowie die ökumenische Haldenkirche. St.Fiden war auch Wohnort vieler fürstäbtischer Hofbeamter, zeitweiliger Sitz des Lehenvogtes und des Hofkanzlers (im Schlössli an der Greithstrasse). Das Haus Nr.1 an der Rorschacherstrasse neben der Kirche zeugt noch heute von der gediegenen Wohnlage der damaligen äbtischen Herren.

Auf dem Gebiet der Gemeinde Tablat existierten drei selbstständige Schulgemeinden. Zum einen Katholisch-Tablat, gegründet 1834, die aus der seit etwa 1600 bestehenden Schule in St.Fiden hervorgegangen war. Sie betrieb zudem seit 1906 eine eigene Schule für die Kinder der Italiener, die als Missione Cattolica heute noch besteht. Zum andern wurden 1852 die Schulgemeinde Evangelisch-Tablat und 1862 jene von Rotmonten gegründet. 1918 wurden die konfessionellen Schulen im Zusammenhang mit der Stadtvereinigung aufgehoben.

Wirtschaft und Bevölkerung

Im frühen Mittelalter führte das Kloster St.Gallen im Gebiet der nachmaligen Gemeinde Tablat Rodungen durch und gelangte so zu seinen Besitzungen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt. Die hier entstandenen Höfe gab es später als Lehen weiter. Diese bäuerlichen Verhältnisse dominierten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das Landschaftsbild. Doch schon 1811 begann mit der Errichtung der ersten Spinnerei in St.Georgen Tablats Eintritt in das Maschinenzeitalter. 1910 gab es im Osten der Stadt rund ein Dutzend Betriebe für Fabrikation und Export von Stickereien.

Entscheidend für diese Entwicklung war die verhältnismässig frühe Verkehrserschliessung des Raumes St.Gallen mit der Bahn. 1856 wurde die Strecke Zürich-St.Gallen-Rorschach eingeweiht, 1910 die Bodensee-Toggenburg-Bahn. Für die Gemeinde Tablat, durch die beide Linien führten, brachte der um 1910 erbaute Bahnhof St.Fiden einen enormen Innovationsschub. Seit dem Jahre 1897 verband zuerst das Tram, dann ab 1957 eine gut ausgebaute Buslinie das Einzugsgebiet des Quartiervereins mit dem Stadtzentrum.

Die Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung sind beeindruckend. Um 1800 lebten rund 2700 Einwohner in der Gemeinde Tablat, 1850 schon 4424, und im Jahre 1910 zählte man 22'306 Einwohner. Der Ausländeranteil betrug zu dieser Zeit 40,5%, davon waren die Hälfte Italiener.

Die Schattenseite dieser Entwicklung war die akute Wohnungsnot. Um den Bahnhof St.Fiden und anderswo erstellten Bauspekulanten ghettoähnliche Wohnsilos. Quartiere wie Buchwald und Buchental erhielten wegen der vielen dort lebenden Italiener den Übernamen Klein-Venedig. Erste konkrete Erfolge im Kampf gegen die Wohnungsnot gelangen der Genossenschaft für Wohnungsfürsorge St.Gallen 1904 mit der Gründung der ältesten Wohnbaugenossenschaft in der heutigen Stadt St.Gallen an der Flurhofstrasse.

 

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